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Neues zum Kometen „Chury“ - Kein Wasser für die Erde

 

Seit Philaes [1-3] erfolgreicher Landung auf dem Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko („Chury“)[1-3] ist bereits mehr als ein Monat vergangen. Die bisher veröffentlichten Ergebnisse der Kometenmission sind immer noch spärlich.

Wir möchten Ihnen zunächst ein aktuelles Ergebnis präsentieren und erklären, das in der Presse für zahlreiche (unnötige) Schlagzeilen gesorgt hat:

Existiert ein Zusammenhang zwischen dem Kometen Chury und dem Ursprung von Wasser auf der Erde?

Wasser im Sonnensystem
Wasser ist eines der häufigsten Moleküle im sog. Interstellaren Medium (ISM) [1]; man findet Wasser in sämtlichen Stadien der Sternentwicklung, von sog. protostellaren Sternkernen bis hin zu protoplanetaren Scheiben [1].
Wasser hat sich wahrscheinlich auf der Oberfläche von (interstellaren) Staubkörnern gebildet, lange vor der Ausbildung des solaren Urnebels. Insbesondere die Rolle des Wassers für die Entstehung von Leben ist von größter Bedeutung.

Die Bildung und Entwicklung von Wasser innerhalb des Sonnensystems sowie der Ursprung des Wassers auf der Erde sind eine der interessantesten Fragen in der Astronomie.

Der solare Urnebel
Der protostellare Urnebel, aus dem das Sonnensystem entstand, war in Richtung seines Zentrums heißer und dichter, an seinem Rand kühler und weniger dicht.

Die vorherrschende Meinung für den Ursprung des Wassers(auf der Erde) ist der Transport durch "wasserreiche" kleine Körper des Sonnensystems, da der solare Urnebel in der Umgebung der heutigen erdähnlichen Planeten zu heiß war: Innerhalb von rund 2 Astronomischen Einheiten** war die Temperatur für die Existenz von Wassereis zu hoch. Daher konnte Wasser auf einem Planeten innerhalb dieses Bereiches - wie der Erde - nicht "überleben.

Die Planetesimale [1], aus denen sich die Erde später bildete, waren daher "wasserfrei" (anhydrid). Jenseits der Riesenplaneten kondensierte das Wasser in großen Mengen und bildete Kometen, die aus bis zu 80 Prozent aus Wassereis bestehen.

Wie kommt es, dass wir auf der Erde große Mengen Wasser finden?
Rund 0,02 Prozent der Erdmasse besteht aus Wasser und bildet die Ozeane. Auch unterhalb der Erdoberfläche existiert Wasser. Schätzungen vermuten dort etwa 10 bis 100 mal mehr Wasser als in den Ozeanen. Somit verfügt die Erde über mehr Wasser als man für einen Körper in der Entfernung von einer Astronomischen Einheit erwarten würde.

Wie kam das Wasser auf die Erde?
Der vielversprechendste Mechanismus für den Transport von Wasser auf die Erde ist ein sog. Bombardement durch kohlenstoffhaltige Asteroiden [1] und/oder Kometen, die sich in der eisreichen äußeren Region des jungen Sonnensystems gebildet haben (Abb. 1).

Diese Theorie stützt sich auf Modelle des frühen Sonnensystems, die komplexe Gravitationswechselwirkungen zwischen den Planeten Jupiter und Saturn mit anderen kleinen Körpern enthalten. Durch die Wechselwirkung sollen kleine Körper des Sonnensystems bis in das innere Planetensystem geschleudert worden sein, sie konnten die Chemie der dort befindlichen Objekte verändern.

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Abb. 1 Schematische Darstellung eines möglichen Zusammenhangs
zwischen dem in Kometen enthaltenen Wasser (rechts) und dem
Wasser auf der Erde (links). © universetoday.com

 

Kometen befinden sich in unserem Sonnensystem in zwei unterschiedlichen Regionen: die Kometen der sog. Oortschen Kometenwolke [1] sind langperiodische Objekte, die des sog. Kuiper-Gürtels [1] enthalten kurzperiodische Objekte, die Kometen der sog. Jupiterfamilie [1].

Zusammenhang Kometen-Wasser-Erde?
Zum Nachweis eines möglichen Zusammenhanges zwischen dem Ursprung von Wasser bzw. organischen Komponenten auf der Erde und anderen erdähnlichen Planeten und Kometen mißt man das Verhältnis von Deuterium (D)* und Wasserstoff (H) auf den jeweiligen Himmelskörpern.

Die Messung des D/H-Verhältnisses für Chury erfolgte mithilfe des ROSINA-Detektors [1] an Bord der Kometenmission Rosetta und stammt bereits vom 6. August; sie ergab einen Wert von rund 0,00053 [6]. Der auf Chury gemessene Wert ist um einen Faktor 3 höher als der Vergleichswert auf der Erde. Chury ist ein Komet der Jupiterfamilie.

Für Kometen der Oortschen Kometenwolkewurden bisher Werte im Bereich von 0,00025 bis 0,0010 [7] gemessen. Diese Werte liegen ebenfalls höher als die der Meere auf unserem Planeten.

Allerdings ergab die Messung des D/H-Verhältnisses des Kometen 103P/Hartley 2 ("Hartley 2"), ebenfalls ein Komet der Jupiterfamilie, einen Wert von 0,00016; dieses Ergebnis liegt in der Nähe des Wertes für die Erde [8].

Untersuchungen von kohlenstoffhaltigen Chrodriten [1] ergaben ebenfalls ähnliche Werte wie die in den irdischen Ozeanen; daher werden Asteroiden von zahlreichen Forschern als Hauptquelle des Wassers auf der Erde vermutet.

Aussagekräftige Ergebnisse?
Offensichtlich existiert selbst innerhalb der Kometen(familien) eine Vielfalt von D/H-Verhältnissen. Die bisher erhaltenen Ergebnisse lassen die Rolle von Kometen als Ursprung für das Wasser auf der Erde offen.
Die unklaren Befunde könnten darauf zurückzuführen sein, dass im Falle von Kometen die Gase innerhalb der Kometenkoma [1] niedrigere D/H-Verhältnisse aufweisen als die des Kometenkernes [1]. Diese Annahme wird durch unterschiedliche Experimente gestützt.

Modellrechnungen weisen auf weitere Effekte hin: Protoplanetare Scheiben sind keine statischen Gebilde, sondern entwickeln sich dynamisch. Weiterhin  könnte eine Vermischung (der Materie) innerhalb des jungen solaren Nebels die niedrigeren D/H-Verhältnisse aus den inneren Regionen zu größeren Entfernungen hin befördert haben.
Zudem kann sich die chemische Zusammensetzung des Systems aufgrund von sich verändernden Bedingungen ebenfalls ändern. Dabei spielen insbesondere Veränderungen der Temperatur und der Dichte eine wichtige Rolle. Die exakten Parameter des solaren Urnebels sind unsicher. [8, 9]

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Abb. 2 Schematische Darstellung der Einwirkung von Wasser aus Kometen
oder Asteroiden auf die Erde. © astronomy.com

 

Das irdische D/H-Verhältnis (der Meere) muss im Laufe der Erdgeschichte nicht stabil geblieben sein. Hier spielen Prozesse eine Rolle, die das Wasser auf der Erde verändert haben (könnten), beispielsweise biologische und chemische Prozesse oder Prozesse innerhalb der Erdatmosphäre (Abb. 2).
Fraglich ist, in welchem Maße der Impakt, der vor Milliarden Jahren zur Bildung des Erdmondes [1] geführt hat, die Chemie der Erde verändert hat. Hier könnte ein starker Verlust der primordialen Erdatmosphäre die chemische Zusammensetzung stark beeinflusst haben, insbesondere das D/H-Verhältnis.

Wie aussagekräftig ist Chury?
Innerhalb des Sonnensystems finden sich unterschiedliche Körper mit einer großen Variationsbreite ihrer chemischen Zusammensetzung. Aufgrund der Temperaturunterschiede des solaren Urnebels variiert das D/H-Verhältnis innerhalb des Planetensystems. Dabei finden sich in größeren Entfernungen von der Sonne höhere Werte. Aufgrund von Prozessen wie der Sedimentation der Kerne von Planeten und Prozesse in deren Atmosphären, sind D/H-Verhältnisse in planetenartigen Körpern des Sonnensystems daher kein Maß für den ursprünglichen Wert des solaren Urnebels.

Die Zusammensetzung der kleinen Körper des Planetensystems, insbesondere die der Asteroiden und Kometen, kann mithilfe des sog. Grand Tack-Szenarios [1], der erfolgreichsten Theorie zur Bildung und Entwicklung des Sonnensystems, eingegrenzt werden: Innerhalb dieses Szenarios wanderte der Planet Jupiter nach seiner Bildung in Richtung Sonne und "stoppte" aufgrund einer sog. Resonanz [1] mit dem Planeten Saturn bei einer Entfernung von 1,5 Astronomischen Einheiten**. Danach wanderten beide Riesenplaneten wieder nach außen bis sie ihre heutigen Positionen bzw. Entfernungen erreichten (Abb. 3).

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Abb. 3 Schematische Darstellung des Grand Tack-Szenarios:
Vereinfachter Ablauf der Migration der Planeten Jupiter und Saturn in das innere Sonnensystem und zurück in die äußeren Bereiche während einer frühen Phase
des Sonnensystems. Aus der inneren Scheibe (rot, gesteinsartige Planetesimale) bildeten sich die erdähnlichen Planeten. Die wasser- und kohlenstoffhaltigen Planetesimale befinden sich in den äußeren Gebieten der Scheibe. Aus einer Vermischung der verschiedenen Planetesimale entstehen später die
unterschiedlichen Asteroiden (und Kometen). © K. Walsh / skyandtelescope.com

 

Als Jupiter dabei den Asteroidengürtel in einer Entfernung von 2-3 Astronomischen Einheiten passierte, brachte er das dort befindliche Material gehörig "durcheinander" (Abb. 3). Dies könnte die Mischung von unterschiedlichen Arten von Kometen im inneren und äußeren Asteroidengürtel erklären.

Die kohlenstoffhaltigen Chondrite besitzen D/H-Verhältnisse, die ähnlich dem Wert der irdischen Ozeane sind. Dagegen werden Kometen, insbesondere die Oortschen Kometen, beobachtet, die höhere D/H-Verhältnisse (mindestens doppelt so hoch) als auf der Erde aufweisen (0,00018-0,001). Hier wurden bereits etwa 10 Kometen vermessen. Modellrechnungen gehen daher davon aus, dass sich diese Kometen bei Abständen von 10-20 Astronomischen Einheiten gebildet haben.

Andere Modellrechnungen zeigen u.a., dass (i) Kometen der Oortschen Wolke aufgrund des gravitativen Einflusses der äußeren Planeten nur rund 6 Prozent der Wassermasse der Erde geliefert haben können und (ii) rund 64 Prozent des Wassers auf der Erde von Asteroiden stammen müssen, um das gemessene D/H-Verhältnis zu reproduzieren. Die Modelle benötigen jedoch zusätzlich zwischen 10-20 Prozent Wasser aus Kometen [11].

Neue Experimente zur Sublimation von Eis weisen darauf hin, dass das gemessene D/H-Verhältnis innerhalb der Kometenkoma gegenüber dem entsprechenden Verhältnis im Kometenkern mindestens um 70 Prozent zu niedrig ist [10]. Falls dies richtig ist, wäre das D/H-Verhältnis in Kometen aus der Oortschen Wolke gegenüber der Erde um mehr als eine Größenordnung höher. Dies weist auf einen Ursprung dieser Kometen in einer Entfernung von 30-40 Astronomischen Einheiten hin.

Während Kometen aus der Oortschen Wolke wahrscheinlich nicht für das Wasser auf der Erde verantwortlich sind, existieren jedoch Kometen, die ähnliche Werte wie die irdischen besitzen, beispielsweise der Komet Hartley 2 [12] oder der Komet 45P/Honda-Mrkos-Pajdusakova [1, 13] (aber auch der Oort-Komet C/2009 P1 (Garrad)).

Möglicherweise ist das Verhältnis von Hartley 2 für die Kometen der Jupiterfamilie repräsentativ. Diese Kometenfamilie könnte sich in einer Entfernung von 1-10 Astronomischen Einheiten gebildet haben. Am wahrscheinlichsten hierfür erscheint die Region zwischen Jupiter und Saturn. Die Gravitationswirkung der beiden Planeten könnte für die stark exzentrischen Kometenbahnen dieser Kometenfamilie verantwortlich sein. Wenn diese Kometen sich im Kuiper-Gürtel [1] gebildet hätten, besäßen sie wesentlich höhere Werte (D/H).

Es scheint als verstünden wir immer noch nicht wie das Wasser von aus der protoplanetaren Scheibe bis in das fertige Sonnensystem gelangte, vor allem bleibt der Anteil der Kometen unklar. Keine der in Frage kommenden Komponenten kann eine zufriedenstellende Erklärung für die Menge an Wasser auf der Erde geben. Daher kann man (zumindest gegenwärtig) keine Pauschalisierung bezüglich der Rolle von Kometen als Ursprung des irdischen Wassers vornehmen - wie dies leider in der Presse erfolgte.

Bisher können wir nur sagen: der Komet Chury selbst war kein Lieferant für das Wasser auf der Erde.

 

Falls Sie Fragen und/oder Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

 

Quellenangaben:

[1] Information über astronomische und physikalische Begriffe
www.wikipedia.de

[2] Mehr Information über die ESA, Rosetta und Philae
http://www.esa.int/ESA
http://www.dlr.de

[3] Weitere Information über Chury, Rosetta und Philae auf unserer Webseite
http://www.ig-hutzi-spechtler.eu/aktuelles__rosetta__hauptseite.html

[4] Mehr Information insbesondere über Rosetta
http://rosetta.esa.int/

[5] Information und Replays zur Landung von Philae
http://new.livestream.com/ESA/cometlanding

[6] Altwegg, K., et al., Science Online, December 10, 2014

[7] Albertsson, T., et al., ApJ 783, 140 (2014)

[8] Hartogh, P., et al., Nature 478, 218 (2011)

[9] Cazaux, S., et al., ApJL 741, L34 (2011)

[10] Brown, R. H., et al., Planet. Space Sci. 60, 166 (2012)

[11] Izidoro, A., et al., ApJ 767, 54 (2013)

[12] Gicquel, A., et al., ApJ 794, 1 (2014)

[13] Lis, D. C., et al., ApJL 774, L3 (2013)

 

 

* Deuterium = Deuteron = schwerer Wasserstoff = chem. Symbol D oder 2H
   = natürliches Isotop [1] des Wasserstoffs (H),
   besteht aus einem Proton und einem Neutron [1]

** Astronomische Einheit (Abk. AE) = astronomische Längeneinheit
     = mittlere Entfernung Erde-Sonne = 149,6 Millionen Kilometer

 

 

 

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