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Hutzi Spechtler  
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Die dunkle Seite der Kometenmacht

Sämtliche Objekte des Sonnensystems rotieren, selbst die kleinsten Asteroiden [1]. Die Rotation dieser Himmelsobjekte ist meistens gegenüber ihrer Bahnebene geneigt. Daher besitzen fast alle Objekte im Sonnensystem eine Art Jahreszeiten.

Seit der Ankunft der Kometensonde Rosetta [1, 1a] am Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko ("Chury") [1, 1a] wurde dessen Oberfläche und Umgebung ausgiebig untersucht. Jedoch blieb ein nicht unerheblicher Teil des Kometen, die dunklen, kalten Bereiche des Südpols, zunächst unzugänglich.

Kometare Jahreszeiten
Aufgrund der ungewöhnlichen Form von Chury und der Neigung seiner Rotationsachse gegenüber seiner Bahnebene (rund 52 Grad*) unterliegt er während seiner Bahnperiode von rund 6,5 Jahren einer sehr speziellen Art von Jahreszeiten. Dabei sind die Jahreszeiten zwischen seinen beiden Hemisphären sehr ungleich verteilt.

(*Zum Vergleich: die Rotationsachse der Erde ist gegenüber ihrer Äquatorebene um 23,5 Grad geneigt.)

Während der meisten Zeit auf seiner Bahn herrscht für Chury auf der nördlichen Kometenhemisphäre eine Art Sommer: er dauert etwa 5,6 Jahre. Währenddessen liegt die südliche Hemisphäre in einem langen, dunklen und kalten Winter(schlaf). Wenige Monate vor dem Erreichen des Perihels [1] ändert sich diese Situation: die südliche Hemisphäre wechselt zu einem kurzen und sehr heißen Sommer.

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Abb. 1 Der Komet Chury am 4. November 2014.
Die Kometensonde Rosetta blickt nach unten, auf die Spitze des Kometenkopfes. Dieser Teil des Kometen befindet sich zu diesem Zeitpunkt in völliger Dunkelheit. In der Bildmitte ist ein Jet zu sehen, bei dem Gas ausströmt. © ESA/Rosetta/NAVCAM

 

Bei der Ankunft der Kometensonde im August 2014 befand sich die nördliche Hemisphäre von Chury im lang andauernden Sommer. Die südliche Hemisphäre erhielt zunächst nur sehr wenig Sonnenlicht. Ein Grossteil der südlich gelegenen Oberfläche befand sich in diesem Zeitraum in einer Art Polarnacht [1], in der diese Region bereits während der letzten rund 5 Jahre schlummerte.

Wahrscheinlich bewirkt die variierende Beleuchtung der Kometenoberfläche während seines Umlaufs um die Sonne neben jahreszeitlichen Effekten eine sehr unterschiedliche Art der Erosion [1] beider Hemisphären.

MIRO untersucht den Südpol
Die extrem südlich gelegenen Bereiche der Kometenoberfläche konnten daher zunächst nicht fotografiert und vermessen werden. Nur eines der an Bord befindlichen Geräte von Rosetta konnte diesen Teil von Chury beobachten: der Mikrowellendetektor MIRO (Microwave Instrument for Rosetta Orbiter) [1].

MIRO kann die Häufigkeit, die Temperatur und die Geschwindigkeit von Wasserdampf [1] und anderen Gasen, die der Kometenkern freisetzt (Abb. 2), messen. Zusätzlich kann das Instrument die Temperatur bis etwa 3 Zentimeter unterhalb der Kometenoberfläche bestimmen (Abb. 3).

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Abb. 2 Schematische Darstellung der Funktionsweise von MIRO.
Mithilfe der Beobachtung von Radiowellen, die von einzelnen vibrierenden Molekülen der Kometenoberfläche emittiert werden, kann MIRO die Temperatur, die Häufigkeit und die Geschwindigkeit von Gasen am Kometen und in der Koma messen. Die Gasmoleküle unterscheiden sich durch die Art der Vibration, hier als Beispiel Kohlenmonoxidgas (CO) und Wasserdampf (H2O). © ESA/NASA

 

Die Temperatur direkt unter der Oberfläche des Kometen ist interessant, da man vermutet, dass die beobachteten Gase von unter der Oberfläche sublimierenden Eissorten stammen. Die Kombination der Messungen des Gases und der Region unterhalb der Kometenoberfläche ermöglicht die Beobachtung dieser vermeintlichen Erklärung.

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Abb. 3 Schematische Darstellung der Funktionsweise von MIRO.
Mithilfe der Beobachtung von Radiowellen, die von einzelnen vibrierenden Molekülen der Kometenoberfläche emittiert werden, kann MIRO die Temperatur unterhalb der Oberfläche von Chury messen.
© ESA/NASA

 

Der Südpol ist anders
Während des Zeitraumes von August bis Oktober 2014 konnte MIRO interessante Daten von Chury sammeln [2, 3]. Die Wissenschaftler entdeckten in der südlichen Polarregion bedeutende Unterschiede zwischen den Beobachtungen im Millimeter- und Submillimeter-Bereich [1].

Die Unterschiede könnten auf große Mengen Eis innerhalb von einigen Zehn Zentimetern unterhalb der Oberfläche in diesen Regionen hinweisen. In der Südpolregion beträgt die Temperatur direkt unterhalb der Kometenoberfläche zwischen 25-50 Kelvin (K) [1], das entspricht Werten von
-248 bis -223 Grad Celsius. [2]

Auch auf der Kometenoberfläche selbst sind die Temperaturänderungen enorm: insbesondere am Hals des Kometen sind die Änderungen der Oberflächentemperatur während seiner Reise um die Sonne besonders deutlich (Abb. 4, 4a):

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Abb. 4 Temperaturunterschiede auf der Oberfläche des Kometen Chury.
Die unterschiedlichen Farben weisen auf die Temperaturänderungen auf der
Kometenoberfläche hin. Eine blaue Färbung entspricht keiner Temperaturänderung, eine rote Färbung mittleren und eine gelbliche Färbung starken zeitlichen Änderungen der Temperatur. Die schnellsten Temperaturänderungen wurden am Hals des Kometen
beobachtet und entsprechen der Aktivität von Chury zu frühen Zeitpunkten.
Man erklärt dies mit einer wechselnden Beleuchtung des Kometen durch die Sonne. © Alí-Lagoa et al. (2015) [4]


Zum Vergleich der Komet zum gleichen Zeitpunkt im sichtbaren Licht (Abb. 4a):

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Abb. 4a Anblick des Kometen Chury im sichtbaren Licht zum obigen Zeitpunkt
der Messungen der Temperaturänderungen. © ESA/Rosetta

 

Die Oberfläche von Chury besteht auch in der südlichen Polarregion aus einer hochgradig porösen, losen regolithartigen Oberfläche [1, 2] und unterscheidet sich nicht von der restlichen Oberfläche des Kometen.

Die thermischen und elektrischen Eigenschaften [1] am Südpol von Chury unterscheiden sich hingegen deutlich von denen der restlichen Kometenoberfläche. Entweder sei das Oberflächenmaterial oder das Material unterhalb der Oberfläche extrem transparent, so einer der Wissenschaftler, es könnte hauptsächlich aus Wasser- oder Kohlendioxideis [1] bestehen.

Jahreszeiten und chemische Zusammensetzung
Der Unterschied zwischen der Zusammensetzung der Oberfläche und den Schichten direkt darunter am Südpol von Chury gegenüber dem restlichen Kometenbereich könnte ein direktes Resultat seiner speziellen Jahreszeiten sein.

Eine mögliche Erklärung ist, dass Wasser und andere Gase während des letzten Periheldurchgangs von Chury freigesetzt wurden, als die südliche Hemisphäre - entgegen der derzeitigen Situation - den am meisten beleuchteten Teil des Kometen stellte.

Danach kondensierte das Wasser erneut und setzte sich auf der Oberfläche fest, nachdem die Jahreszeit wechselte und die südliche Hemisphäre erneut in einen langen und kalten Winterschlaf fiel.

Allerdings hängt die Interpretation von der genauen Form des Kometenkerns ab. Zum Zeitpunkt der Messung war die Form der dunklen Polarregion nicht genau bekannt. Die Analyse der Daten soll nach der genauen Kenntnis dieses Teils des Kometen erneut durchgeführt werden.

Im Mai dieses Jahres wechselten die Jahreszeiten auf Chury: auf der südlichen Kometenhemisphäre begann ein kurzer und heißer Sommer, der bis Anfang 2016 andauern wird. Seitdem erhalten die südlichen Regionen mehr Sonnenlicht und können mit den anderen Instrumenten der Kometensonde analysiert werden. Allerdings wurde diese Beobachtungsphase durch die Suche nach dem Kometenlander Philae [1] auf der nördlichen Hemisphäre unterbrochen.

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Abb. 5 Anblick des Äquators des Kometen Chury.
Die Aufnahme zeigt den Äquatorbereich des Kometen.
© ESA/Rosetta/NavCam

 

Bei der Beobachtung des Südpols konnten vier neue geologische Regionen des Kometen identifiziert werden (Abb. 6a, 6b). Insgesamt wurde die Kometenoberfläche in 23 Regionen eingeteilt.

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Abb. 6a Neue Regionen des Südpols von Chury.
Die südpolaren Bereiche des Kometen wurden nach ägyptischen Gottheiten
benannt: Anhur, Khonsu, Sobek und Wosret [1]. Anhur und Khonsu befinden
sich auf der Unterseite der größeren Kometenhälfte, Wosret auf dem kleineren
Teil; Sobek befindet sich im Halsbereich von Chury.
© ESA/Rosetta/NavCam

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Abb. 6b Neue Regionen des Südpols von Chury.
Die südpolaren Bereiche des Kometen wurden nach ägyptischen Gottheiten
benannt: Anhur, Khonsu, Sobek und Wosret [1]. Anhur und Khonsu befinden
sich auf der Unterseite der größeren Kometenhälfte, Wosret auf dem kleineren
Teil; Sobek befindet sich im Halsbereich von Chury.
© ESA/Rosetta/NavCam

 

Gegenwärtig befindet sich Rosetta in rund 1.500 Kilometern Entfernung von Chury und beobachtet den gesamten Kometen. Demnächst soll sich die Sonde Chury erneut nähern, Vergleichsmessungen der beiden Hemisphären vornehmen und die südliche Polarregion nochmals genauer unter die Lupe nehmen. Weiterhin sollen noch höher aufgelöste Beobachtungen der Kometenoberfläche gemacht werden.

Aus der Kombination sämtlicher Daten der Instrumente hofft man bestätigen zu können, dass der Südpol von Chury tatsächlich eine andere chemische Zusammensetzung besitzt und zu klären, ob diese Region jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen ist.

Die Kometensonde Rosetta untersucht als erste Sonde die Änderungen eines Kometen während seiner Annäherung an die Sonne und liefert damit einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Aufbaus und der chemischen Zusammensetzung von Kometen. Diese Erkenntnisse sind wichtige Bestandteile, wenn es um den Ursprung und die Entwicklung unseres Sonnensystems und die Bildung von Planeten geht.

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Über weitere Ergebnisse zum Kometen Chury werden wir Sie auf dem Laufenden halten.
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Falls Sie Fragen und Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

Quellenangaben:

[1] Mehr Information über astronomische Begriffe
www.wikipedia.de

[1a] Artikelserie zum Kometen Chury
http://ig-hutzi-spechtler.eu/aktuelles__rosetta__hauptseite.html

[2] Choukroun, M., et al., A&A 583, A28 (2015)

[3] http://www.jpl.nasa.gov

[4] Alí-Lagoa, V., et al., ApJ 810, L22 (2015)

 

 

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