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Chury ist kein Schweizer Käse

Bilderboykott, Philae verloren ... lauter schlechte Nachrichten, könnte man meinen. Doch wenigstens ist der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko ("Chury") [1, 1a] nicht so löchrig wie ein Schweizer Käse; damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass er (in Sonnennähe) schnell auseinanderbricht. Zudem wurde nun tatsächlich Wassereis direkt auf der Kometenoberfläche beobachtet.

Kometen sind die eisigen Überbleibsel der Entstehung des Sonnensystems [1] vor rund 4,6 Milliarden Jahren. Bisher konnten 8 Kometen durch Raumsonden erforscht werden. Die dabei erhaltenen Ergebnisse weisen auf grundlegende Eigenschaften, die allen Kometen zugrunde liegen könnten.

Bisher nahm man an, dass Kometen aus einer (homogenen [1]) Mischung aus Eis und Staub bestehen. Jedoch zeigen neuere Messungen, dass einige Kometen eine sehr geringe Dichte [1] besitzen, die geringer ist als die von Wassereis [1]. Falls das stimmt, wären Kometen hochgradig poröse Himmelsobjekte.

(I)   Chury ist nicht hohl
Die europäische Raumfahrtorganisation ESA [1] hat mithilfe von Messungen der Kometenmission Rosetta [1, 1a] bekannt gegeben, dass sich im Innern von Chury keine grossen Hohlräume befinden. Damit ist eine lange andauernde Vermutung über das Innere von Kometen erstmals wiederlegt.

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Abb. 1 Ein löchriger Schweizer Käse.
Lange vermuteten die Wissenschaftler Kometen seien ähnlich löchrig aufgebaut
wie Schweizer Käse.

 

Die üblicherweise gemessene geringe Dichte [1] von Kometen hatte die Forscher vermuten lassen, dass sich in deren Innern grosse Hohlräume wie in der Wabenstruktur von Bienenstöcken oder Schweizer Käse befinden. Für manche Kometen mag das zutreffen, jedoch nicht für den Kometen Chury.

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Abb. 2 Löcher auf Churys Oberfläche.
Die Löcher, die Rosetta auf der Kometenoberfläche gefunden hat, besitzen Durchmesser von 1-3 Meter, andere sind wesentlich grösser.
© ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team

 

Stammt die Porosität des Kometen aus riesigen Hohlräumen im Kometeninnern oder einer homogeneren Struktur geringer Dichte?

Die Ergebnisse einer neuen Studie [2] zeigen, dass es sich im Falle von Chury um ein Objekt geringer Dichte handelt, das keine grossen Hohlräume in seinem Inneren besitzt. Die Resultate stimmen mit früheren Ergebnissen des CONSERT-Radarexperiments [1] an Bord der Kometensonde Rosetta überein. Sie zeigen, dass der zweigeteilte Komet im Bereich des "Kopfes" auf einer Skala von einigen Zehn Metern sehr homogen ist.

Die wahrscheinlichste Erklärung hierfür ist, dass Churys Porosität eine innere Eigenschaft des Kometen sein muss, die durch die Mischung von Staubpartikeln und Eis herrührt, die das Innere von Chury ausmachen (Abb. 3).

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Abb. 3 Kometenstaub, gefunden in der Antarktis (Tottuki Point [1]).
Die Staubkörnchen besitzen typischerweise Durchmesser von 10-40 Mikrometer [1].
© EPSL (2015)

 

Frühere Messungen anderer Kometensonden haben gezeigt, dass es sich bei Kometenstaub nicht um eine kompakte, feste Substanz handelt, sondern eher um eine fluffige Mischung aus Staubteilchen hoher Porosität und niedriger Dichte (Abb. 3). Die Detektoren COSIMA und GIADA [1] an Bord von Rosetta haben ähnliche Staubkörner bei Chury gefunden.

Die neuen Ergebnisse entstanden mithilfe des Radiowellen-Experiments RSI [1] an Bord von Rosetta: dabei wurde mithilfe des Doppler-Effekts [1] untersucht wie die Kometensonde durch Churys Schwerkraft [1] beeinflusst wird (Abb. 4).

Die Schwerkraft des Kometen ist schwach: würde man auf der Erde etwa 4 Zentimeter in die Höhe springen, könnte man damit auf Chury bereits dessen Anziehung entkommen und in den Weltraum hinausfliegen.

Das Ergebnis: Rosetta wird durch Churys Anziehung beeinflusst.

Mithilfe der Daten entstand eine Karte des Gravitationsfeldes [1] des gesamten Kometen (Abb. 4). Die Anwesenheit grosser Hohlräume im Kometeninnern hätte eine geringere Beschleunigung der Kometensonde zur Folge gehabt.

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Abb. 4 Das Gravitationsfeld des Kometen Chury.
Mithilfe von optischen, spektroskopischen [1] und infraroten (OSIRIS) [1] Beobachtungen sowie der Untersuchung mithilfe von Radiowellen (RSI) konnte das Schwerefeld des Kometen Chury vermessen werden. Dabei fand man heraus, dass die vom Halsbereich [1] (blau-grüne Region) ausgehende Schwerkraft etwa 6 mal schwächer ist als die der beiden Hantelseiten (rot-orangefarbene Gebiete).
Der Halsbereich ist aktiver und die Quelle der meisten beobachteten Gas- und Staubausbrüche (jets [1]), obwohl er weniger Energie als der Rest des Kometen erhält und sich dort mehr Gebiete im Schatten befinden als auf den Hantelseiten. Die geringere Schwerkraft im Halsbereich bedeutet, dass es Jets dort weniger schwer haben Gas und Staub in die Umgebung zu schleudern als auf den beiden Hantelseiten. Die Messungen entstanden bei Rosettas Vorbeiflug in einer Entfernung von 10-100 km. © ESA/Rosetta/OSIRIS/RSI


Aus den Schwerkraftmessungen ergibt sich eine Kometenmasse von etwas weniger als 10 Milliarden Tonnen. Mithilfe der OSIRIS-Kamera [1] errechneten die Forscher ein Modell der Form von Chury.

Das Modell weist auf ein Volumen von rund 18,7 Kubikkilometern bzw. eine Dichte von 533 Kilogramm pro Kubikmeter [2].

Fazit: Chury ist ein staubiger Komet niedriger Dichte und grosser Porosität (72-74 Prozent), ähnlich dem Kometen 9P/Tempel 1 [1]. [2]

(II)  Sichtbares Wassereis auf Chury
Obwohl Wasserdampf einer der Hauptbestandteile der Koma [1], der ausgedehnten Gashülle um den Kometenkern, von Chury ist und der Kometenkern hauptsächlich aus Wasser(molekülen) besteht, konnte bisher kein eindeutiger Beweis für die Existenz von Wassereis direkt auf der Kometenoberfläche gefunden werden. Das Fehlen grosser Bereiche von Oberflächenwassereis scheint eine Gemeinsamkeit der meisten Kometen zu sein.

Churys Oberfläche scheint gleichmässig mit dunklem (schwarz erscheinenden), dehydrierten und organischem Material [1] bedeckt zu sein. Die dunkle Farbe ist die Folge des Vorbeiflugs des Kometen an der Sonne: dabei wird der Komet hohen Temperaturen ausgesetzt, die flüchtige Wassereispartikel freisetzen, die wiederum sublimieren [1].

Hierdurch verbleibt Material wie beispielsweise Silikate [1] - ähnlich Gestein, Sand und Schmutz auf der Erde - sowie kohlenstoffhaltige Verbindungen [1] auf der Kruste zurück. Diese Materialien sublimieren nicht. Dadurch wird die Kometenoberfläche mehr und mehr organisch und mit Silikaten angereichert.

Die Entdeckung

Allerdings zeigt die Beobachtung des Kometen im Infrarotbereich [1] in der Imhotep-Region [1] ein anderes Bild [3]: dort konnte an zwei Stellen Wassereis direkt auf der Oberfläche beobachtet werden (Abb. 5). Das Eis befindet sich an Wänden höhergelegener Strukturen und an der Basis der Steilwände.

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Abb. 5 Entdeckung von Wassereis auf der Kometenoberfläche im Bereich Imhotep.
Die Pfeile weisen auf beobachtete Wassereisvorkommen auf der Oberfläche von Chury, die sich gegenüber der dunklen Oberfläche deutlich abheben.
Aufnahme der Rosetta NAVCAM [1].
© [4]

 

Eine quantitative Analyse ergab die Anwesenheit millimetergrosser reiner Wassereis-Körnchen in der Imhotep-Region. Die Körnchen sind wesentlich grösser als die sämtlicher bisheriger Beobachtungen.

Obwohl es sich bei mikrometergrossen Wassereiskörnchen üblicherweise um das Ergebnis der erneuten Kondensation von Wasserdampf in eisfreien Schichten handelt, kann das Auftreten der millimetergrossen Körnchen aus purem Wassereis im Bereich Imhotep am besten durch ein Wachstum der Körner durch die Diffusion [1] von Wasserdampf in eisreichen Schichten erklärt werden oder durch sog. Sintering [1].

Somit existieren zwei Sorten Wassereiskörnchen in den neu entdeckten Regionen der Kometenoberfläche: Die kleinen Körner im Mikrometerbereich befinden sich in einer Art "Frostgebiet", das sich aufgrund der Rotation von Chury bildet. Wenn sich dieser Bereich durch die Rotation von der Sonne wegbewegt, kondensiert das Wassereis aus der Koma auf der Oberfläche. Während des Tages wandert das Wasser zurück (nach aussen) in die Koma.

Die grösseren Eiskörner mit Durchmessern von einigen Millimetern besitzen wahrscheinlich einen komplexeren Ursprung. Eine Möglichkeit ist die Verdampfung von Wassereis unterhalb der Oberfläche, wenn sich der Komet in Sonnennähe befindet; wenn das Eis erneut kondensiert, bewegt es sich nach unten in die kühleren, tieferliegenden Schichten und bildet Blasenstrukturen.

Das Innere von Kometen ist porös, ähnlich wie Zuckerwatte, so einer der Forscher. Chury bestehe zu etwa 70 Prozent aus (kleinen) Leerräumen, daher gelange die Wärme der Oberfläche nicht sehr tief in den Kometen hinein. Daher bestehe die Möglichkeit, dass sich dort Wassereis befinde, sagt einer der Wissenschaftler. Churys Wassereis befindee sich wahrscheinlich nicht sehr tief unterhalb der Oberfläche, möglicherweise nur einige 10 Zentimeter darunter.

Als Konsequenz dieser Prozesse kann der Kometenkern eine ausgedehnte komplexe Hülle bilden, in der die äussere dehydrierte Kruste von mit Wassereis angereicherten Schichten überlagert wird.

Die Beobachtung von Oberflächenwassereis bei Chury ist wahrscheinlich das Ergebnis evolutionärer Prozesse, die die oberste, etwa meterdicke Schicht beeinflussen. Dabei handele es sich um keine global existierende Schichtung, die bereits bei der Bildung des Kometen erfolgt sein müsse, so einer der Forscher.

Die Entdeckung von Wassereis ist eine echte Überraschung und trägt dazu bei, die oberen dynamischen Schichten von Kometen sowie deren Entwicklung zu verstehen.

Eine Übersicht der Eigenschaften des Kometen Chury finden Sie unter [5].

 

Aussichten
Bereits im September wird die Kometensonde Rosetta kontrolliert auf Chury abstürzen. Bei diesem einzigartigen Manöver wollen die Forscher weitere Daten des Kometen sammeln. Bei ihrer Annäherung wird die Navigation von Rosetta aufgrund des zunehmend komplexer werdenden Gravitationsfeldes schwieriger werden. Für die Durchführung weiterer Messungen - beispielsweise von RSI - wird diese Phase jedoch extrem spannend, sie wird zudem Aufnahmen mit bisher unerreichter Auflösung liefern.

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Über weitere Ergebnisse zum Kometen Chury werden wir Sie
auf dem Laufenden halten.
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Falls Sie Fragen und Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

Quellenangaben:

[1] Mehr Information über astronomische Begriffe
www.wikipedia.de

[1a] Artikelserie zum Kometen Chury
http://ig-hutzi-spechtler.eu/aktuelles__rosetta__hauptseite.html

[2] Pätzold, M., et al., Nature 530, 63-65 (2016)

[3] Georgescu, I., Nature 12, 111 (2016)

[4] Filacchione, G., et al., Nature 529, 368-372 (2016)

[5] Übersicht der Eigenschaften des Kometen Chury
http://www.esa.int

 

 

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