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Hutzi Spechtler  
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Kometen-Jets und die Bilder-Sperre

(I) Die Aktivität des Kometen Chury

Kometen sind keine „schmutzigen Schneebälle“ wie von Fred Whipple im Jahr 1950 vermutet: vielmehr sind Kometen „schmutzige Schneebälle ohne Schnee“, jedenfalls an ihrer Oberfläche. Seit etwa zehn Jahren weiß man, dass Kometen an ihrer Oberfläche anstelle von Eis und Schnee eher eine „Kruste“ aus dunklem, kohleartigem Staub zeigen.

Auch andere Kometen - wie der Komet Borelly [1] - zeigten bei einer genaueren Beobachtung, dass die wahrscheinlich existierenden beträchtlichen Mengen Eis nicht an der Kometenoberfläche liegen, sondern wahrscheinlich unter der extrem dunklen Oberfläche verborgen sind. Eine Kometenoberfläche ist eher trocken, staubig und heiß.

Ebenso ist der Komet 67P/Churyumov–Gerasimenko („Chury“) [2, 3] ein poröser Himmelsreisender; er besitzt eine mittlere Dichte, die der von Neuschnee ähnelt und niedriger ist als die von Kork [3].

Die Oberfläche eines Kometen erwärmt sich, wenn sich dieser auf seiner langgestreckten elliptischen Bahn der Sonne nähert. Aufgrund der dabei steigenden Temperatur bzw. zunehmenden Sonneneinstrahlung sublimieren die leicht flüchtigen Bestandteile des Kometen und entweichen, beispielsweise gefrorenes Wasser (Eis), aber auch Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4)und Ammoniak (NH3).

Dabei entstehen sog. Jets: Fontänen aus Gas und freigesetzten Staubpartikeln. Beim Austritt von ausreichend viel Gas und Staub bildet sich die Kometenkoma [1] und mit zunehmender Sonnennähe der Kometenschweif [1].

Unser Verständnis über die dabei ablaufenden Vorgänge im und am Kometen sind unvollständig, insbesondere wissen wir nicht genau, welche Faktoren für den Ausstoß von Gas und Staub verantwortlich sind und was dabei genau an der Oberfläche und im Inneren des Kometen geschieht.

Der Komet Chury zeigt seit dem Monat August eine deutlich sichtbare Aktivität (Abb. 1): insbesondere im Verbindungsteil, dem sog. Halsbereich des Kometen, zeigen sich immer wieder Jets aus Gas und Staub. Die Jets sind jedoch lokal begrenzt und nicht ständig aktiv. Insbesondere an Oberflächenbereichen, die hell erscheinen, zeigt sich die Aktivität des Kometen besonders deutlich.

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Abb. 1 Die beginnende Aktivität des Kometen Chury am 2. August
(Aufnahme vom 2. August, veröffentlicht am 6. August)
© ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team

 

Die Aktivität des Kometen ist von der Sonneneinstrahlung abhängig: aufgrund der rund 12-stündigen Rotation des Kometen zeigt sich die Aktivität ebenfalls „tagesabhängig“. Der Umfang der Kometenaktivität im Halsbereich ist während dem Kometentag größer als in der Kometennacht. Inzwischen konnten einzelne Jets bestimmten Formationen auf der Kometenoberfläche zugeordnet werden.

Der OSIRIS-Detektor [2, 3] konnte beim Auftreten eines Jet-Ereignisses nachweisen, dass dieser aus einer „kraterähnlichen Grube“ austrat und aus mehreren einzelnen Jets bestand, die in unterschiedliche Richtungen zeigten.

Innerhalb der letzten Wochen zeigten sich sogar mehrere Jet-Ereignisse an Churys Oberfläche.

  • Aufnahme vom 2. September (Abb. 2)

Die kontrastverstärkte (aus vier Einzelaufnahmen bestehende)
Mosaik-Aufnahme  zeigt zwei Jets aus Gas und Staub.

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Abb. 2 Die Aktivität des Kometen Chury am 2. September
(Aufnahme vom 2. September)
© ESA/Rosetta/Navcam/Bob King

 

  • Aufnahme vom 4. September (Abb. 3)

(links – Originalbild, rechts – kontrastverstärkte Aufnahme)

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Abb. 3 Die Aktivität des Kometen Chury am 4. September
(Aufnahme vom 4. September)
© ESA/Rosetta/NavCam/Emily Lakdawalla

 

Die Jets sind auf den nachfolgenden Detailaufnahmen (Abb. 4a und b) noch deutlicher sichtbar:

Links die Originalaufnahme: der rote Pfeil kennzeichnet die Richtung des Jets.
Rechts ein kontrastverstärktes Negativbild; die Jet-Struktur sowie die Breite des austretenden Gases und Staubs sind deutlich erkennbar.

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Abb. 4a und b Detailaufnahmen der Aktivität des Kometen Chury
am 4. September (Aufnahme vom 4. September:
links – Originalbild, rechts – kontrastverstärktes Negativbild)
© ESA/Rosetta/NavCam/yahw

 

  • Aufnahme vom 19. September (Abb. 5)

Die Aufnahme zeigt ein Mosaikbild aus vier Aufnahmen, die Rosetta aus einer Entfernung von rund 30 Kilometern aufnahm. Der rote Pfeil kennzeichnet die Richtung des austretenden Jet-Ereignisses.

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Abb. 5 Aufnahmen der Aktivität des Kometen Chury
am 19. September  © ESA/Rosetta/NavCam

 

Die Jets sind auf den nachfolgenden bearbeiteten Aufnahmen (Abb. 6a und b) noch deutlicher sichtbar: Abb. 6a zeigt ein kontrastverstärktes Negativbild; die Haupt-Jetstruktur befindet sich am Kometenhals, jedoch sind auch links davon kleine Aktivitätsgebiete sichtbar.

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Abb. 6a Kontrastverstärkte Negativaufnahme der Aktivität
des Kometen Chury am 19. September 
© ESA/Rosetta/NavCam/yahw

 

Abb. 6b zeigt eine kontrastverstärkte Aufnahme, auf der insbesondere die Breite des Jet-Ereignisses deutlich wird. Links die Originalaufnahme, rechts im Bereich der Jets mit Kontrastverstärkung.

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Abb. 6b Kontrastverstärkte Aufnahme der Aktivität am 19. September 
© ESA/Rosetta/NavCam/Emily Lakdawalla

 

Abb. 7 zeigt ein extrem kontrastverstärktes Bild, das einen Ausschnitt der obigen Originalaufnahme ist. Abgesehen von möglichen Bildfehlern sind deutlich mehrere Jets und das dabei ausgestoßene Material aus dem Halsbereich Churys zu sehen.

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Abb. 7 Kontrastverstärkte Detailaufnahme der Aktivität am 19. September 
© ESA/Rosetta/NavCam/Wolfgang Muehle
und http://blogs.esa.int/rosetta bzw. https://twitter.com/dermuehle

(II) Neue Ergebnisse und die „Bilder-Sperre“ von Chury

In der letzten Woche fand die Tagung der europäischen Planetenforscher (European Planetary Science Congress, EPSC [4]), u.a. mit einer Sondersitzung zu den bisherigen Ergebnissen über den Kometen Chury, statt.

Dabei staunten insbesondere die Wissenschaftler über die Kometenaufnahmen Churys, die nicht direkt mit der Rosetta-Mission verbunden sind. Andere Forscher haben nämlich keinen Zugriff auf die Mehrheit dieser von Rosetta gewonnenen Bilder. Der Grund liegt an der Politik der Mitarbeiter der Kamera OSIRIS: sie erwirkten eine vertraglich festgelegte Sperre der Rosetta-Bilder für 6 Monate!!! Das erinnert an die Handhabung des US-amerikanischen Fachblattes Nature.

Während dieser 6-monatigen Zeitspanne haben die OSIRIS-Mitarbeiter einen exklusiven Zugriff auf sämtliche Bilder von Chury.

Allerdings wurde diese Begründung bisher nicht in dieser Form gegenüber der Öffentlichkeit vertreten, auch nicht auf Nachfrage von Interessierten und/oder nach der letzten Pressekonferenz der ESA bzw. bei der Diskussion von Fachvorträgen. Das ist meiner Meinung nach bedenklich, denn die Rosetta-Mission finanziert sich auch aus Steuergeldern aus Deutschland.

Weshalb erklärt man nicht einfach, wieso die Öffentlichkeit so wenige aktuelle Bilder zu sehen bekommt? Ein „Herumlavieren“ verschlechtert das Standing von Raumfahrt und Astronomie in der Bevölkerung.

Die Bilder-Sperre bedeutet, dass die breite Öffentlichkeit (außerhalb des OSIRIS-Projektes) auch weiterhin nicht in den Genuss aktueller und sämtlicher Kometenbilder kommen wird, es sei denn … die zuständigen Stellen überlegen sich das nochmals …
Sechs Monate nach Ablauf der Landung von Philae habe ich jedenfalls nur noch wenig Interesse -  das Highlight der Landung auf Chury ist dann schon vorbei und wahrscheinlich sind dann bereits andere astronomische Themen interessant.

Nachfolgend einige interessante Ergebnisse, die auf der EPSC vorgestellt wurden:

(a) VIRTIS (Visible, Infrared and Thermal Imaging Spectrometer)
- mittlere Oberflächentemperatur des Kometen -43 °C (230 Kelvin)
- bisher kein Wassereis
- Oberfläche ist porös und hochgradig (wärme)leitend

(b) GIADA (Grain Impact Analyser and Dust Accumulator)
- Messung von HDO*, N2 und Sauerstoff-Isotopen [1]

(c) RPC (Rosetta Plasma Consortium)
- seit März Zustand niedriger Aktivität des Kometen
- erste Aktivität seit Anfang August messbar
- große Änderungen der Elektronendichte in Kometennähe

(d) ROSINA
(Rosetta Orbiter Spectrometer for Ion and Neutral Analysis)
- Messung von Molekülen am Kometen
(Wasser, Kohlenmonoxid (CO), Kohlendioxid (CO2))
- hohe Aktivität insbes. am Halsbereich des Kometen

 

Falls Sie Fragen und/oder Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

Quellenangaben:

[1] Information über astronomische und physikalische Begriffe
www.wikipedia.de

[2] Mehr Information über die ESA, Rosetta und Philae
http://www.esa.int/ESA
http://www.dlr.de

[3] Weitere Information über Chury und Kometen auf unserer Webseite
http://www.ig-hutzi-spechtler.eu/aktuelles__rosetta.html
http://www.ig-hutzi-spechtler.eu/aktuelles_atmosphaere_von_kometen.html
http://www.ig-hutzi-spechtler.eu/aktuelles_philae.html
http://www.ig-hutzi-spechtler.eu/aktuelles__neues_rosetta.html
http://www.ig-hutzi-spechtler.eu/aktuelles__rosetta15_09_2014.html

[4] European Planetary Science Congress (EPSC) 2014
www.epsc2014.eu

 

* HDO = Halbschweres Wasser (Hydrodeuteriumoxid) [1]

 

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