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Sputnik Planum - Pluto blubbert

Die Plutosonde New Horizons [1] hat inzwischen weitere überaus interessante hochaufgelöste Aufnahmen eines aktiven Zwergplaneten [1] übermittelt, die die Forscher immer mehr staunen lassen.

Unter der Plutooberfläche brodelt es sozusagen: die Aufheizung von Regionen unterhalb der Oberfläche erzeugt ein konvektives Durchwalken [1] der Materie.
Ein Beispiel für die Aktivität des Zwergplaneten haben die Forscher am 24. Dezember 2015 veröffentlicht.

Das aktive Gebiet (Abb. 1) befindet sich im Bereich der Herzregion [1] von Pluto, in der Region Sputnik Planum [1]. Sputnik Planum liegt einige Kilometer tiefer als die es umgebenden Gebiete.

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Abb. 1 Zellartige Strukturen des Eisfeldes in Sputnik Planum.
Die Ränder (troughs) der Strukturen liegen etwas tiefer als das Zentrum der Zellen. Bei den dunklen Strukturen links oben handelt es sich über höher gelegene Gebiete (hills). © NASA/JHUAPL/SwRI

 

Man sollte denken, dass es dort ausser einer riesigen Ebene aus Stickstoffeis [1] nichts Aktives geben kann, schon gar nicht in einer derart enormen Entfernung von der Sonne.

Polygone
Das neu entdeckte aktive Gebiet befindet sich in einem Bereich von honigwabenartigen bzw. zellartigen Strukturen, die wie Polygone [1] aussehen (Abb. 2). Die honigwabenförmigen Bereiche besitzen Durchmesser von rund
15-30 Kilometern. Dabei scheint das Zentrum dieser zellartigen Strukturen etwas höher zu liegen als ihre Ränder. Der Höhenunterschied zwischen dem Zentrum einer Zelle und ihrem Rand beträgt rund 100 Meter.

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Abb. 2 Einteilung der Plutooberfläche nach morphologischen Eigenschaften
Das herzförmige Gebiet Sputnik Planum zeigt eine durch eine aktive Konvektion geprägte Oberfläche (s. 1. Active Convection, roter Pfeil). Diese Art Oberflächenstruktur hat man nirgendwo sonst auf der Plutooberfläche entdecken können. © NASA/JHUAPL/SwRI

 

Die Wissenschaftler interpretieren die merkwürdige Struktur, die dem Buchstaben "X" gleicht (Abb. 3), als Überrest des konvektiven Durchwalkens von dort befindlichem Material.

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Abb. 3 Die neu entdeckte Struktur inmitten eines Eisfeldes in Sputnik Planum.
Die "X"-förmige Struktur (links unten) weist auf die Aktivität des Zwergplaneten hin.
Sie entstand durch das konvektive Durchwalken des lokal von innen aufgeheizten Zwergplaneten: durch einen langsamen thermischen Konvektionsprozeß wurde das aus hauptsächlich Stickstoffeis bestehende Oberflächenmaterial verändert.
Weiter oben (Bildmitte oben) scheint ein dunkler Block aus Wassereis - ein Eisberg - sozusagen auf dem dichteren festen Stickstoffeis zu "schwimmen".
Die Aufnahme entstand am 24. Dezember 2015 mithilfe des LORRI-Detektors [1] aus einer Entfernung von rund 17.000 Kilometern, rund 15 Minuten vor der größten Annäherung der Plutosonde New Horizons [1] am 14. Juli 2015.
© NASA/JHUAPL/SwRI

 
Irgendein Mechanismus ist dafür verantwortlich, dass Wärme im Inneren die Materie lokal erwärmt; diese wird leichter und steigt blasenförmig in Richtung Oberfläche. Dort kühlt sie sich ab und sinkt erneut nach unten. Es handelt sich wahrscheinlich um einen sich ständig wiederholenden Kreislauf.

Was ist thermische Konvektion?
Die auf Pluto stattfindende thermische Konvektion [1] kann man mit einem Prozess in der Erdatmosphäre [1] vergleichen: in unserer Atmosphäre entstehen infolge der Erwärmung der Erdoberfläche und der bodennahen Luftschichten durch die Sonnenstrahlung sog. Vertikalbewegungen [1] der Luft; der gleiche Effekt tritt bei warmem Wasser auf, das von Kaltluftmassen überströmt wird.

Einen ähnlichen Effekt kennen wir vor allem im Winter (Abb. 4): durch die Zentralheizung wird Luft erwärmt, steigt auf, erreicht die Zimmerdecke und fliesst an der gegenüberliegenden Seite des Raums wieder nach unten. So entsteht ein Kreislauf.

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Abb. 4 Schematische Darstellung der Konvektion in einem Zimmer.
Durch die Nutzung der Zentralheizung im Winter wird Luft erwärmt und steigt nach oben. Erreicht die erwärmte Luft die Zimmerdecke, fliesst sie an der
gegenüberliegenden Seite des Raums wieder nach unten.
© NASA/JHUAPL/SwRI

 

Wie funktioniert die Konvektion bei Pluto?
Rayleigh-Bénard-Konvektion [1]
Bei der Rayleigh-Bénard-Konvektion steigen im Fall von Pluto Zellen warmen Materials nach oben in Richtung der (Eis-)Kruste auf. Das kalte Eis der Oberfläche sinkt am Rand der Zelle nach unten. Auf diese Art und Weise wird der Rand der Zelle nach unten gezogen, die Lage des Zentrums der Zelle wird erhöht. Der Austausch zwischen warmen Material, das in Richtung der Oberfläche strömt, und dem Ersetzen des dort vorhandenen kalten Eises bzw. dem nach unten Ziehen des Eises ist in Wahrheit ein wesentlich komplexerer Vorgang. (Abb. 5)

Das gesamte System ähnelt einer Flüssigkeit, die von unten aufgeheizt und von oben gekühlt wird.

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Abb. 5 Schematische Darstellung der Rayleigh-Bénard-Konvektion.
Computersimulationen zeigen, dass bei dieser Art der Konvektion ein kompliziertes Verhalten des auf- und abströmenden Materials auftritt. Rote Bereiche markieren warmes, blaue Regionen kaltes Material. Man kann deutlich zwischen kleinskaligen Strukturen und großskaligen zirkulierenden Bewegungen unterscheiden, die typisch für diese Art der Konvektion sind.
© LLNL/E. P. van de Poel/R. Ostilla Mònico/SRUFsara

 

Jegliche Brocken der gebrochenen Eisoberfläche von Pluto werden durch die Bewegung der Materie weitertransportiert und gegebenenfalls nach unten gezogen. Die Brocken können anschliessend wieder an die Oberfläche gelangen und bilden dort kleine Berge. (Abb. 6)

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Abb. 6 Schematische Darstellung der Konvektion in der Region Sputnik Planum.
Die von den Eissorten Methan, Stickstoff und Kohlenmonoxid [1] speichern Plutos innere Wärme. Die dünne Kruste der Plutooberfläche besteht aus Kohlenwasserstoffen. Die aufsteigende Wärme (rote Pfeile) erwärmt das an der Oberfläche befindliche Eis, das daraufhin nach unten sinkt (lilafarbene Pfeile). Die Oberfläche bricht teilweise ein; die Bruchstücke sinken nach unten oder "schwimmen" weiter (nach links gerichteter blauer Pfeil); dabei kann das Eis oberhalb der Kruste gelangen und Strukturen ausbilden.
© NASA/JHU

 

Der nördliche Rand von Sputnik Planum ist wesentlich dunkler als die hellen Eisflächen (Abb. 7).

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Abb. 7 Gesamtaufnahme der Region Sputnik Planum und dessen
dunkler nördlicher Rand.
Der nördliche Rand von Sputnik Planum ist dunkler als der Rest der Umgebung, ähnlich einer Demarkationslinie. Diese Linie markiert den Rand der noch intakten, jedoch bereits eingetauchten Kruste des Zwergplaneten. Südlich und östlich dieser Linie ist das Eis weißer und sauberer. Dieses Eis unterliegt der Konvektion und stammt aus der Tiefe. Nördlich und westlich dieser Linie ist das Eis dunkler. Dort ist die Konvektion seichter. Wahrscheinlich sammelt das erwärmte Eis dunkles Material der Oberfläche der bereits eingetauchten Kruste auf, bevor es wieder an die Oberfläche gelangt. Die Eisoberfläche ist auch in der Nähe des nördlichen Rands von Sputnik Planum dunkler. Dort ist der Fluss des Eises gegenwärtig aktiv: das Eis ist flach und rollt über die Kruste, die wahrscheinlich noch nicht "überschwemmt" wurde. In dieser Region befindet sich eine Menge losen dunklen Regolithgesteins [1] © NASA/JHU

 

Möglicherweise sind die Bergstrukturen, die entlang der westlichen Seite der Region Sputnik Planum aus großen Brocken bestehen - einschliesslich der Berge Norgay Montes, Hillary Montes [1] und anderen - allesamt auf diese Art und Weise entstanden. Die Tatsache, dass sich diese Bergstrukturen entlang der westlichen Seite von Sputnik Planum befinden, weist darauf hin, dass es sich um die erste Region der Oberfläche handelt, an der die intakte Kruste des Zwergplaneten nach unten gezogen wurde.

Die vom Inneren des Pluto herrührende Aufheizung der Materie hat die Plutooberfläche im Laufe der Zeit stark verändert. Zurück blieben die geschmolzenen Reste in einer zellstrukturartigen Oberfläche.

Die Forscher vergleichen die Entdeckung mit einer (riesigen) Lavalampe, nur dass sie größer und tiefer sei als die US-amerikanische Hudson Bay [1].

Fazit
Die polygonalen zellartigen Strukturen entstanden wahrscheinlich durch die langsam stattfindende thermische Konvektion der Eisebenen, die aus einer Mischung von Stickstoff- und Wasserstoffeis [1] bestehen. Dabei entwickeln sich die Stickstoffeis-Blasen über Millionen von Jahren und können sogar miteinander verschmelzen.

Die sichtbaren Ränder der zellartigen Strukturen markieren das Absinken des bereits abgekühlten Eises. Manchmal entstehen dadurch merkwürdige Strukturen wie das "X" (Abb. 2); die Forscher interpretieren die Struktur als ehemaligen Treffpunkt von vier Konvektionsblasen. Dabei könnte die dunkle Struktur (der Abbildung) einen verschmutzten Brocken aus Wassereis - einen Eisberg - darstellen, der sozusagen auf dem dichteren Stickstoffeisgebiet "schwimmt" und an den Rand einer Konvektionszelle gedrückt wird. Weiterhin sind Tausende kleiner Oberflächengrubenstrukturen sichtbar, die durch Sublimation [1] entstanden.

Neues Plutomosaik

Die US-amerikanische Raumfahrtbehörde NASA [1] hat zudem ein neues globales Mosaik (Abb. 8) des Zwergplaneten Pluto veröffentlicht. Das Mosaik basiert auf mehr als zwei Dutzend Aufnahmen, die am 14. Juli 2015 gesammelt werden konnten und wurde künstlich eingefärbt. Die Raumsonde befand sich zu diesem Zeitpunkt 80.000 Kilometer von Pluto entfernt.

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Abb. 8 Hochaufgelöstes Mosaik des Zwergplaneten Pluto.
Das Mosaik basiert auf mehr als zwei Dutzend Aufnahmen, die am 14. Juli 2015, dem Zeitpunkt der größten Annäherung an den Zwergplaneten erfolgte. Der Abstand zu Pluto betrug an diesem Tag rund 80.000 Kilometer.
© NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute/Marco Di Lorenzo/Ken Kremer/kenkremer.com

Hinweis
Unter [3] finden Sie einige sehenswerte und hochaufgelöste Aufnahmen von Pluto sowie eine Animation mit einem simulierten Flug über die Eisflächen von Sputnik Planum.

Ausblick
Bisher hat die Plutosonde New Horizons nur rund 20 Prozent der bei der Passage des Zwergplaneten gesammelten Daten übertragen. Man kann nicht abschätzen, welche neuen Entdeckungen uns bei Pluto bevorstehen. Jedenfalls steht fest, dass sich Pluto seit der Passsage der Raumsonde zum "Star" des Sonnensystems hochkatapultiert hat. Die gesamte Übertragung der Daten zur Erde dauert etwa ein Jahr und endet wahrscheinlich im Herbst.

Während der weiteren Datenübertragung befindet sich New Horizons auf dem Weg zu einem weiteren Himmelskörper des Kuiper-Gürtels[1]. Dort soll die Sonde ein weiteres Objekt untersuchen, dass allerdings wesentlich kleiner ist als Pluto.
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Falls Sie Fragen und/oder Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

Quellenangaben:

[1] Information über astronomische und physikalische Begriffe
www.wikipedia.de

[2] Übersicht der Kurzartikel zu Pluto und New Horizons
http://www.ig-hutzi-spechtler.eu/aktuelles__pluto__hauptseite.html

[3] Neue hochaufgelöste Aufnahmen von Pluto
- Eisfelder in Sputnik Planum
http://photojournal.jpl.nasa.gov/catalog/PIA20336

- neues Plutomosaik
http://www.universetoday.com/wp-content/uploads/2016/01/Pluto-New-Horizons-global-mosaic_3a_Ken-Kremer.jpg

- Animation: Überflug von Norden über die Eisebenen von Sputnik Planum
https://www.youtube.com/watch?v=B0xkupKwjfM

- Falschfarbenaufnahme von Pluto
(geologische und chemische Unterschiede der Plutooberfläche) https://www.nasa.gov/sites/default/files/thumbnails/image/nh-psychedelic-pluto_pca.png

 

 

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